Ein Blick auf mögliche Konsequenzen und Praxishinweise

I. Einleitung

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 4. Februar 2025 (Urteil vom 04. Februar 2025 – XI ZR 61/23, XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23) entschieden, dass Klauseln über Verwahrentgelte (sogenannte „Negativzinsen“) für Tagesgeld- und Sparkonten im Verbraucherbereich unwirksam sind. Dabei ging das Gericht davon aus, dass diese Regelungen gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Vorschriften verstoßen und Verbraucher unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB). Offen bleibt jedoch, wie sich diese Rechtsprechung auf das Verhältnis zwischen Banken und Unternehmen (B2B) auswirkt. Angesichts der Situation bei früheren Entscheidungen des BGH über Bearbeitungsentgelte (auch hier entschied der BGH erst über Verbraucherdarlehen und kam anschließend für Unternehmen zu dem gleichen Ergebnis) drängt sich die Frage auf, ob die Entscheidung des Gerichts für Negativzinsen ebenso im Unternehmensbereich getroffen werden könnte.

II. Parallelen: Bearbeitungsentgelte im B2B-Bereich

Ein bedeutender Anknüpfungspunkt sind die bekannten Urteile des BGH zu Bearbeitungsentgelten bei Darlehen. Hier entschied der BGH zunächst in 2014 in Bezug auf Verbraucherdarlehen, dass Bearbeitungsentgelte als Allgemeine Geschäftsbedingung der richterlichen Inhaltskontrolle (§ 307 III 1 BGB) unterliegen und solche Bearbeitungsentgelte im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 I 1, II Nr. 1 BGB in der Regel unwirksam sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – XI ZR 170/13). Während in der anwaltlichen Praxis nach diesem Urteil zunächst häufig angenommen wurde, dass es sich um einen Sonderfall für Verbraucherdarlehen handelte, stellte der BGH in einem Urteil 2017 klar, dass dieselben Grundsätze auch für Darlehen im gewerblichen Bereich gelten, wenn die Klauseln gegen wesentliche gesetzliche Wertungen verstoßen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 562/15).

Diese Rechtsprechung fußt darauf, dass § 488 BGB als allgemeine Vorschrift sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen Anwendung findet. Das Gericht betonte, dass die (Un-)Zulässigkeit einer AGB-Klausel nicht allein davon abhängt, ob es sich beim Vertragspartner um einen Verbraucher oder Unternehmer handelt, sondern ob die Klausel die gesetzliche Risikoverteilung und Erwartungshaltung der Vertragspartner unangemessen verschiebt.

III. Übertragbarkeit auf Negativzinsen

  1. Wesentliche Grundgedanken des Gesetzes Der BGH sah bei Tagesgeld- und Sparkonten für Verbraucher den Kapitalerhalt und die Wertstabilität als Kern der Vertragsbeziehung an. Da sich dieser Grundsatz auch bei Unternehmensguthaben nicht grundlegend ändert, könnte dasselbe Argument gelten: Wer ein Sparkonto oder Tagesgeldkonto führt, erwartet – zumindest im Kern – den Erhalt seines Kapitals, unabhängig davon, ob er Verbraucher oder Unternehmer ist.
  2. Transparenzgebot Darüber hinaus ist die Transparenz einer Klausel essenziell. AGB-Klauseln, die unklar formuliert sind oder die Reichweite von Negativzinsen nicht deutlich erkennen lassen, können als intransparent und damit unwirksam eingestuft werden. Dieses Transparenzgebot gilt im B2C- wie auch im B2B-Bereich (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
  3. Preisnebenabrede Negativzinsen können als Preisnebenabrede qualifiziert werden, deren Zulässigkeit einer Inhaltskontrolle unterliegt. Ob es sich um einen Verbraucher oder ein Unternehmen handelt, tritt in den Hintergrund, wenn die Klausel die Hauptleistungspflicht (hier: Verwahrung bzw. Einlage) faktisch umkehrt oder wesentlich verändert.

IV. Diskussion und erste Stellungnahmen

In der juristischen Fachwelt mehren sich Stimmen, die eine Übertragbarkeit der Verbraucher-Rechtsprechung des BGH auf Unternehmen bejahen. Insbesondere die systematische Argumentation in den Urteilen zu Bearbeitungsentgelten, wonach § 488 BGB und die allgemeinen Regeln der AGB-Kontrolle gleichermaßen auf Verbraucher wie Unternehmer anzuwenden sind, lässt – insbesondere, da es sich um den selben BGH-Senat handelt – vermuten, dass Banken sich bei der Verwendung von Negativzinsklauseln auch im B2B-Bereich einer kritischen Prüfung stellen müssen. Allerdings wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass im Einzelfall zwischen individuell ausgehandelten Konditionen und einseitig vorgegebenen AGB-Klauseln unterschieden werden muss. Bei individuell ausgehandelten Verträgen kann eine stärkere Privatautonomie gelten als bei standardisierten Geschäftsbedingungen.

V. Handlungsempfehlung für Unternehmen

  1. Prüfung bestehender Klauseln Unternehmen sollten bestehende Konto- und Darlehensverträge darauf überprüfen (lassen), ob Negativzinsklauseln enthalten sind und wie diese ausgestaltet sind. Dabei ist entscheidend, ob es sich um AGB handelt, die das Unternehmen faktisch einseitig akzeptieren musste, und ob die Klauseln transparent formuliert sind.
  2. Mögliche Rückforderung Sollte sich herausstellen, dass Negativzinsklauseln unwirksam sind, kann eine Rückforderung bereits gezahlter Zinsen in Betracht gezogen werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass dies das Verhältnis zur Bank belasten und langfristig Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehung haben könnte.
  3. Wirtschaftliche Abwägung Viele Unternehmen – gerade in der Immobilienbranche oder in kapitalintensiven Branchen – pflegen dauerhafte Beziehungen zu ihren Finanzierungspartnern. Eine rechtliche Auseinandersetzung kann von Verschlechterungen bei Kreditkonditionen oder anderen Bankdienstleistungen bis hin zu einem faktischen Ausschluss von Finanzierungsmöglichkeiten führen. Es gilt daher, die juristischen Chancen sorgfältig gegen die wirtschaftlichen Risiken abzuwägen.

VI. Fazit

Die BGH-Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Negativzinsklauseln gegenüber Verbrauchern dürfte auch für Unternehmen relevant werden. Bereits die Urteile zu Bearbeitungsentgelten verdeutlichen, dass die Unwirksamkeit von AGB-Klauseln nicht zwangsläufig auf das Verbraucherschutzniveau beschränkt ist. Bevor jedoch konkrete Schritte unternommen werden, sollten Unternehmen ihre Verträge juristisch analysieren lassen und die wirtschaftlichen Konsequenzen im Einzelfall genau abwägen. Eine mögliche Rückforderung von Negativzinsen kann zwar kurzfristig wirtschaftliche Vorteile bringen, birgt aber zugleich das Risiko einer Belastung/Zerstörung der wichtigen Geschäftsbeziehung zur Bank.

Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und kann keine individuelle Rechtsberatung ersetzen.

 

Ansprechpartner
Dr. Florian Blanke
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